Ebenso wie beim Menschen zirkulieren auch in Vögeln stets verschiedene Influenzaviren (z.B. das hochpathogene aviäre Influenza-A-Virus H5N1), die sich mal mehr und mal weniger stark verbreiten und meist saisonale, regional begrenzte Epidemien verursachen. Die aktuelle Vogelgrippe-Saison 2021/2022 ist jedoch in ihrer Heftigkeit außergewöhnlich und hat in Europa bereits dazu geführt, dass 48 Millionen Tiere in Betrieben getötet werden mussten (Stand: 3. Oktober 2022) [1]. Glücklicherweise haben sich im Europäischen Raum bisher keine Menschen damit infiziert, so dass die Gefahr für die Allgemeinbevölkerung als gering gilt.
Besonders gefährdet sind koloniebildende Seevögel
Während Vogelgrippe-Epidemien üblicherweise in den Sommermonaten abflauen, gab es in der aktuellen Saison auch in diesen Monaten zahlreiche Ausbrüche. Derzeit sind 37 europäische Länder betroffen; die geografische Ausdehnung reicht von Spitzbergen bis Südportugal und im Osten bis in die Ukraine [1, 2]. Das Virus breitet sich normalerweise über den Vogelzug von Wildvögeln aus und kann auch in Geflügelbetriebe eingetragen werden. Von Ende April bis Mitte August 2022 waren jedoch besonders koloniebrütende Seevögel wie Basstölpel, Seeschwalben und Kormorane betroffen, deren Bestände dadurch teilweise gefährdet sind [2]. Da der Basstölpel beispielsweise in Deutschland ausschließlich auf Helgoland brütet, ist hierzulande im schlimmsten Fall sogar das Aussterben der Art denkbar [3]. Trotz der ungewöhnlich vielen Infektionen bei Geflügel und Wildvögeln sowie zahlreicher Übertragungsereignisse auf verschiedene Säugetierarten ist jedoch aus den letzten Jahren in Europa keine Übertragung auf den Menschen bekannt [1, 2].
Global nur wenige und leichte Erkrankungen bei Menschen
Dass sich mit den aktuell zirkulierenden Vogelgrippe-Viren bislang in Europa kein Mensch angesteckt hat, bedeutet jedoch nicht, dass der Erreger nicht auf den Menschen übertragen werden kann. Weltweit traten in den letzten Jahren immerhin einige wenige Infektionen bei Menschen auf, die jedoch asymptomatisch oder mild verliefen [1]. Alle Infektionen konnten bislang auf engen Kontakt mit infizierten (lebenden oder toten) Tieren bzw. deren Produkten oder Ausscheidungen zurückgeführt werden, während Mensch-zu-Mensch-Übertragungen noch nicht vorgekommen sind. Für die Allgemeinbevölkerung besteht somit kein erhöhtes Risiko. Der direkte Kontakt mit kranken oder toten Wildvögeln sollte dennoch vermieden werden. Wer ein solches Tier findet, sollte am besten das Veterinäramt kontaktieren. Personen, die aus beruflichen Gründen ein erhöhtes Expositionsrisiko haben, sollten sich durch adäquate Schutzmaßnahmen – z.B. Schutzkleidung, Reinigung und Desinfektion – vor einer Ansteckung schützen [4]. Um behüllte Viren wie aviäre Influenzaviren unschädlich zu machen, sind Desinfektionsmittel mit mindestens begrenzt viruzidem Wirkungsspektrum anzuwenden.
Fazit: Die aktuelle, für Wildvögel und Geflügel äußerst bedrohliche Vogelgrippe-Epidemie stellt derzeit für die Allgemeinbevölkerung keinen Grund zur Sorge dar. Auch der Verzehr von Geflügelprodukten wie Eiern oder Fleisch gilt als unbedenklich [5]. Da Viren allerdings mutieren oder sich mit anderen Viren kreuzen können, ist nicht auszuschließen, dass daraus eines Tages ein Erreger entsteht, der eine Gefahr für Menschen darstellt und sich schnell von Mensch zu Mensch verbreitet. Um auf ein solches Ereignis sofort reagieren zu können, wird das Geschehen international kontinuierlich überwacht.
Quellen:
- European Centre for Disease Prevention and Control (2022) 2021-2022 data show largest avian flu epidemic in Europe ever. https://www.ecdc.europa.eu/en/news-events/2021-2022-data-show-largest-avian-flu-epidemic-europe-ever (aufgerufen am 26.10.2022)
- European Food Safety Authority, European Centre for Disease Prevention and Control et al. (2022) Avian influenza overview June–September 2022. EFSA Journal 20: e07597. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2022.7597
- Spektrum der Wissenschaft (2022) Vogelgrippe erreicht Helgoland. https://www.spektrum.de/news/vogelgrippe-auf-helgoland-bedroht-deutsche-basstoelpel-kolonie/2042413 (aufgerufen am 26.10.2022)
- Robert Koch-Institut (2022) RKI zu humanen Erkrankungen mit aviärer Influenza (Vogelgrippe) (Stand: 06.10.2022). https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/Z/ZoonotischeInfluenza/Vogelgrippe.html;jsessionid=625AB32549602748E403713AD7599AD4.internet082 (aufgerufen am 26.10.2022)
- Robert Koch-Institut (2022) Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zur zoonotischen Influenza (Stand: 24.05.2018). https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Gefluegelpest/Gefluegelpest.html;jsessionid=1A0A43A9D8EBC37EEB48CFBDF989AA66.internet121 (aufgerufen am 26.10.2022)